Mit dem Nachtzug fahren wir von Hampi / Hospet nach Bangalore. Die AC-Abteile sind bereits ausgebucht, also fahren wir wieder in einem Sleeper-Waggon, wo auf beiden Seiten jeweils drei, und auf der Gangseite nochmals zwei Personen liegen koennen. Der Zug ist voll, viele haben keine reservierten Plaetze und wir muessen auch schon mal energisch auftreten, dass wir unsere Plaetze bekommen. Dabei kommt uns zugute, dass Andy etwa einen Kopf groesser und auch etwas breiter ist als ich und di meisten Inder :-).
In Bangalore kommen wir am fruehen Morgen an. Unser Anschlusszug nach Mysore faehrt erst in 1.5 Stunden ab, aber wir sind froh, dass wir das entsprechende Ticket bereits haben. In der Haupthalle steht eine riesen Menschenmenge an 5 geoeffneten Ticketschaltern an, waehrend einige Polizisten mit langen Stoecken, Gebruell und Trillerpfeife versuchen, Ordnung in das Menschengewuehl zu bringen. Sie draengen die Leute immer wieder zurueck, dass sie in einer Reihe bleiben. Das muesste ich jetzt nach einer Nacht mit wenig Schlaf nicht wirklich haben. So viel Indian Life muss es dann doch nicht sein. Der Zug nach Mysore ist dann ganz schoen voll, aber fuer die 3 Stunden Fahrt noch auszuhalten.
Der naechste Tag ist fuer die Hindus ein Feiertag, viele Geschaefte sind daher geschlossen. Dafuer wird der Maharajapalast am Abend fuer eine Stunde von 96000 Gluehbirnen beschienen, auf dem Platz davor wird indische Musik gespielt und aufdringliche Souvenirverkaeufer und Autorickshaw-Fahrer haben Hochkonjunktur.
Auf dem Derajava-Markt ist noch etwas urspruengliches Indien erhalten geblieben. Auf dem Teil, wo Blumen verkauft werden rufen die Verkaeufer ihre Angebote aus und es schmeckt nach Jasmineblueten. Ausserdem werden Kräuter und Gewürze, Gemuese, Sandelholz, verschiedene ätherische Öle und aus diesen aetherischen Oelen hergestellte Parfums verkauft. Daneben kann man das wunderbar farbige, zu bunten Pulverbergen aufgehaeufte kumkum bestaunen, das fuer die Bindipunkte verheirateter Frauen und fuer religioese Rituale benutzt wird.
auf dem Derajava-Markt
wenn man die Hauptstrassen verlaesst befindet man sich schnell einmal in einem anderen IndienNoch etwas zum Erleben des indischen Alltags: in den Hotels und Restaurants werde ich oft mit Sir angesprochen, ebenso von Rickshawfahrern, Souvenirverkaeufern oder von Tuerstehern, die sich jedes Hotel oder Restaurant leistet. An das Sir koennte man sich gewoehnen, man kommt sich ein bisschen wie ein englischer Lord oder Adliger vor. Irgendwas haben die Englaender dann doch irgendwie falsch gemacht oder die Inder haben schlecht aufgepasst, da Chatrina und Medea auch oft mit Sir angesprochen werden! OK, soweit sogut mit kolonialen Gedankenspielen; a propos Tuersteher: die halten einem die Tuer auf oder eben nicht und haben eine Trillerpfeife, die sie eifrig benutzen; auch, um sich wichtig zu machen; z.B. werden Autofahrer in eine Parkluecke gelotst, die selbst ein Blinder treffen wuerde, natuerlich mit viel Gepfeife und viel gestikulieren und ernster, wichtiger Mine.
Einmal treffen wir eine deutsche Familie direkt vor dem Palast. Er arbeitet bei einer grossen deutschen Firma und sie sind seit 1.5 Jahren in Bangalore und bleiben noch 3.5 Jahre. Sie bestaetigen uns, dass Bangalore es nicht Wert ist, besucht zu werden ausser, man steht auf vielen und lauten Verkehr, Chaos, Dreck usw. oder eben man arbeitet dort.
Der Maharajapalst ist ausgesprochen schoen und besuchenswert. Man kommt sich bei der Besichtigung ein bisschen wie in 1001 Nacht vor. Es gibt jede Menge Wandmalereien britischer und indischer Militaerparaden, verschiedener Maharajas und von Koenig Edward III., die das Leben in Mysore waehrend der Britisch-Raj-Aera darstellen. Ausserdem besteht das Innere des Palastes aus einem Kaleidoskop aus buntem Glas, Spiegeln und grellen Farben. Die indischen Herrscher nach englischen Gnaden hatten kein schlechtes Leben.
In Mysore leben neben Hindus auch Christen und Moslems. Wenn wir uns um 5:00 Uhr am Morgen im Hotel noch mal auf die andere Seite drehen ruft der Muezzin von der Moschee hinter dem Hotel zum Gebet. Ein Autorickshawfahrer betont mir gegenueber in einem Gespraech, dass hier die verschiedenen Religionsangehoerigen friedlich zusammen leben. Ich habe das Gefuehl, dass das eher Wunschtraum statt Wirklichkeit ist. In der Indian Times steht taeglich mindestens ein Artikel ueber das Verhaeltnis zu Pakistan (= Moslems), ueber pakistanische Terroristen und ueber Aussagen und Interviewausschnitte Obamas, die zu eigenen Gunsten ausgelegt werden. In Anlehnung an die Anschlaege auf das Worl Trade Center vom 11.9.2001 wird der Anschlag von Bombay mit 26/11 abgekuerzt. Pakistan wird als ein unkontrolliertes Land mit verschiedenen Terroristengruppen dargestellt. Keine gute Grundlage fuer die aussoehnenden Kraefte. Ueber einen Artikel in der Indian Times bin ich dann doch erstaunt. Es geht darin darum, dass die Sicherheit im Lande nicht gewaehrleistet werden kann, da das Personal dazu fehle. Spaeter wird mir etwas klarer, warum. In Kochi stehen wir in einem Stau, als der indische Ministerpraesident fuer eine Wahlveranstaltung durch Kerala reist. An einer normalen Kreuzung bringen es dann aber 5 Polizisten nicht zustande, den Verkehr wenigstens einigermassen fluessig wieder anlaufen zu lassen, da einer mit der Trillerpfeife im Mund nach Links, und ein anderer, nur ein paar Meter entfernt, ebenfalls mit einer Trillerpfeife, nach rechts winkt. Die uebrigen drei stehen mal herum oder winken in undefinierbare Richtungen. Es ist daher eher chaotisch, die Autos stehen in jede Richtung mindestens in zwei Spuren, es wird links und rechts ueberholt und viel gehupt.
Wegen der Wahlen in Indien kommt es zu einer kleinen unangenehmen Ueberrschung. Bars und Restaurants duerfen nicht laenger als bis 22:45 geoeffnet sein. Es koennte ja jemand zu viel trinken und die Wahlen verpassen. Spaeter erklaert mir noch ein Inder auf meine Frage, ob es wegen der Wahlen irgendwo in Indien gefaehrlich werden koennte, dass wir nicht in den Bundesstaat Orissa reisen sollten, da dort extreme politische Parteien aneinander geraten und es daher zu Unruhen kommen koennte. Sonst wuerde es ueberall ruhig bleiben. Kashmir hat er interessanterweise nicht erwaehnt.
Am letzten Abend heisst es Abschied nehmen von Aurelia und Andy. Wir sitzen in einer netten Bar, kleine Gechenke werden ausgetauscht, viel geredet und ein paar Abschiedsdrinks finden den richtigen Weg.